Studienarbeiten im Projekt können gerne zu eigenen Themen entworfen und ausgearbeitet werden. Alternativ können folgende Themenvorschläge verwendet werden:
Die Geschichte in der Geschichte
Ob ein Mensch oder ein Kollektiv eine Erzählung unmittelbar zum Ausdruck bringen kann, ohne mit sozialen oder rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen, ist erheblich vom geografischen und zeitlichen Kontext abhängig, in dem diese Geschichte hervorgebracht wird. In gesellschaftlichen Zusammenhängen, in denen aus z.B. politischen Gründen mit Konsequenzen zu rechnen ist, haben Erzählungen oft eine Doppelbödigkeit, welche die eigentliche Botschaft in den textlichen oder mündlichen Ausdruck integriert und diese gleichzeitig verschlüsselt. Es gilt, die diversen Praxen des sprachlichen Verschlüsselns von Inhalten näher zu beleuchten, die Kulturtechnik des „Lesens zwischen den Zeilen“ oder des Interpretierens von Lücken im gesprochenen Wort zu erforschen. Zusätzlich zu ethnologischer Literatur lohnt es sich, literaturwissenschaftliche Beiträge zum Thema miteinzubeziehen.
Narrative Tiefenstrukturen
Jede Erzählung, sei es ein aufwendig inszeniertes Theaterstück oder die Antwort auf die Frage, wie der Tag war, folgt einem narrativen Muster, das kulturell sehr verschieden sein kann. Wie und ob mit einem spezifischen Spannungsbogen erzählt wird, ob die Erzählung linear auf eine Pointe zuläuft oder eher ein Nebeneinander vieler Sequenzen bildet, ist erheblich von der kognitiven und kulturellen Vorprägung der Erzählenden abhängig. Beispielsweise davon, ob eine Person die Welt lesend von links nach rechts erfasst und entsprechend von ihr erzählt oder durch überwiegend orale Kulturtechniken geprägt ist. Diese erzählerischen und kognitiven Grundstrukturen sollen (vergleichend) beleuchtet werden.
Das Leben als Narrativ
Hannah Arendt hat sich intensiv mit dem Erzählen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Implikationen auseinandergesetzt, die damals wie heute von großer politischer Bedeutung sind. In ihrem umfangreichen philosophischen Werk beschreibt sie beispielsweise, wie ein narratives Selbstverhältnis und ein narratives Weltverhältnis das gesellschaftliche Miteinander prägen und hervorbringen. Es gilt, sich tiefergehend mit Hannah Arendts Überlegungen zu Narrativität auseinanderzusetzen und ihre vielfältigen Ideen zur Bedeutsamkeit des Erzählens herauszuarbeiten.
Sprechende Instrumente
In manchen Regionen Burkina Fasos begleiten Instrumente und ihre Klänge nicht nur die Darbietung von Geschichten, sondern werden selbst performativer Teil der Erzählung. Sie formen eine eigene Sprache, indem bestimmte Töne mit bestimmten Worten verknüpft werden, die nur vom eingeweihten Publikum entschlüsselt werden können. Diese Sprache muss entweder lange erlernt werden oder bedarf einer Übersetzung, um die Botschaften und Geschichten hinter den Tönen zu verstehen. Diese sprachlichen Verbindungen von Klängen und Worten sollen tiefergehend ergründet werden. Welche Verknüpfungen dieser Art finden sich in Burkina Faso, Westafrika und weltweit, und wie werden diese in der zugehörigen Literatur eingeordnet und theoretisiert?
Erzählungen erfahrbar machen
Die Ethnologie der Sinne ist mittlerweile ein breit diskutiertes und rezipiertes Thema und leistet insbesondere im Bereich der Methodik einen wichtigen Beitrag. Beispielsweise in der Frage, wie sinnliche Wahrnehmungen jenseits vom Sehen und Hören in der Forschung integriert und nutzbar gemacht werden können. Im Rahmen der Ausstellung zu narrativer Praxis in Burkina Faso stellt sich diese Frage unter etwas anderen Vorzeichen. Denn Geschichten, die in einem lebendigen lebensweltlichen Kontext inszeniert wurden, in dem viele Sinneseindrücke zum Charisma der Erzählung beigetragen haben, sollen nun im Forum Wissen (nicht nur) sichtbar gemacht werden. Es gilt herauszufinden, wie anhand von ausstellungspraktischen und museumsethnologischen Beiträgen eine mehrdimensionale Ausstellung konzipiert werden kann.